Mittwoch, 10. Oktober 2012

Camping auf der großen Mauer


knapp 9000km schlängelt sich die Mauer durch's ganze Land
So, nach etwas Hickhack mit dem Veranstalter, klappt unser Camping an der Mauer-Trip dann glücklicherweise doch und wir werden um viertel nach 9 von Andy, unserem Guide (eigentlich Dongjong, aber das kann sich wohl kein Westler merken, bzw. korrekt aussprechen, deshalb Andy) am Hotel abgeholt. Die Tour startet weit abseits aller Mauertouristenströme beim Abschnitt Jiankou, der eigentlich für die Öffentlich gar nicht zugänglich ist...
Nach einem gar nicht so unanstrengenden Marsch durch's Dickich,t erreichen wir schließlich die Mauer und wandern auf diesem noch gänzlich unrestaurierten Abschnitt ein gutes Stück in Richtung Süd-Osten. Sehr beeindruckend wie dieser wilde Part scheinbar wirklich sich selbst überlassen wurde und wir stellenweise durch dichtes Gestrüpp oder auch über Geröllfelder klettern müssen. Zwischendrin gibt es immer mal wieder die eine oder andere interessante Anekdote mit Hintergrundinformationen von Andy.

teilweise hat die Natur sehr deutlich die Oberhand gewonnen

für den besten Ausblick muss
man schonmal ein bisschen klettern

etwas windig war's auch :)

auf dem Weg zu Mr. Hu's
Farmerhaus noch etwas Sport

Nachmittags verlassen wir dann die Mauer und fahren zu "Mr. Hu's" Farmerhaus (Mr. Hu, ein dürrer, kleiner Mann, der dankenswerterweise sämtliches Essen, Koch- und Schlafequipment für uns vom Dorf nach oben zum Wachturm auf der Mauer transportiert), wo wir uns in eher bescheidenen Verhältnissen bei mehrerern Tassen Jasmintee aufwärmen können. Gegen halb 4 machen wir uns dann an den letzten Anstieg zum höchsten Punkt der Gegend, dem nördlichen Wachturm, wo wir später auch die Nacht verbringen werden. Der Weg ist wirklich alles andere als gemütlich und schnell weiß ich Mr. Hu's Packesel-Tätigkeit wirklich zu schätzen. Oben angekommen entschädigt uns der herrliche Ausblick auf die Mauer in beide Richtungen für sämtliche Strapazen.

der noch gut erhaltene Wachturm
-unser Schlafplatz für die Nacht

Sonnenuntergangsstimmung
Wir warten noch ein bisschen, genießen die Ruhe und den Ausblick, bevor die Sonne auch schon langsam anfängt hinter der rund 2000 Jahre alten Mauer zu verschwinden. Wir testen unsere Kamrea inklusive Sonnenuntergangsmodus ausgiebig und schießen gefühlt 5000 mal mehr, mal weniger kitschige Bilder. Dann kommt auch schon Mr. Hu mit Abendessen und Zelten angeschnauft. Wir suchen uns in der Mitte des Wachturms einen halbwegs windgeschützten Raum und Mr. Hu bereitet uns mit Isomatte, Schäfchenbettlaken und recht gut brauchbaren Schlafsäcken unser Nachtlager. Danach gibt's auf einer kuscheligen Picknickdecke zuerst ein paar Erdnüsse und aufgeschnittene Honigmelone, bevor es mit gegrillten Hühnchen- und Lammspießen und köstlich geröstetem Sesambrot weitergeht. Dazu ein kaltes Bier und der etwas spärliche Sitzkomfort ist schnell vergessen :)
 
 
einfach aber Zweckmäßig...
...unser Zeltlager :)

Wo die Sonne so früh aufgeht, wird es dementsprechend schnell dunkel, und so machen wir uns gegen halb 8 schön langsam "Zelt- und Bett-fertig", nutzen nochmal die Naturtoilette auf der Mauer und kuscheln uns bei eisigen Temperaturen mehr oder minder windgeschützt in unsere Schlafsäcke. Die Isomatten halten leider nicht, was sie optisch versprechen und so gestaltet sich die Liegerei auf dem antiken Steinboden äußerst ungemütlich. Macht aber nichts, der Wind pfeift dermaßen laut und heftig durch den Turm, dass an Schlaf ohnehin nicht zu denken ist. Vor meinem geistigen Auge spielen sich schon Szenarien einstürzender Mauerteile, die uns unter sich begraben, ab, aber Steffen tröstet mich und erinnert mich daran, dass die Mauer jetzt schon etliche hundert Jahre steht und somit sicherlich schon schlimmeren Stürmen getrotzt hat. Von letzterem bin ich zwar nicht ganz überzeugt, aber ersteres ist dann doch ein schlagendes Argument. Inzwischen ist es halb 12, noch ein drittes Mal von, bzw. auf die Mauer gepinkelt, aber als endlich sowas wie Müdigkeit aufkommt, kommen aus Andys Zelt plötzlich seltsame Schnarch- und Pupsgeräusche... Gut, eine Person ist jetzt vielleicht nicht ganz repräsentativ für Verallgemeinerungen, aber wir stellen amüsiert fest, dass die Chinesen sogar hier irgendwie anders klingen :)
Irgendwann zwischen 1 und 4 Uhr sind wir dann doch immer wieder ein paar Minuten weggedöst, aber ab 4 Uhr beschließen wir, dass es sich nicht mehr lohnt, Schlaf zu erzwingen und warten gleich auf den Sonnenaufgang um ca 6 Uhr.

wunderschöner Sonnenaufgang hinter der Mauer
Dieser wird dann auch wirklich nochmals sehr schön und beeindruckend. Zwar gesellen sich 3 Amerikaner + Guide schon in aller Hergottsfrühe zu uns, aber Plätz genug ist hier oben ja und so erleben wir, wie das erste Licht des Tages sanft den schlafenden Steindrachen weckt.







Frühstück auf der Mauer
Kurz darauf kommt auch schon wieder Mr. Hu mit Tee, Eiern, Bananen und Toast in der Tasche. Wir machen ein kleines Frühstück und brechen dann bei strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel zum - eigens für die olympischen Spiele- restaurierten Abschnitt in Mutianyu auf. Mutterseelenalleine wandern wir Richtung Süd-Osten und sind sogar noch vor den ersten Getränke-, Snack- und Souvenierverkäufern auf dem Touristenabschnitt.



gar nicht so einfach, die Marmelade mit
Stäbchen auf dem Toast zu verteilen :)

Glück für die Chinesen, dass die Mongolen
damals keine großen Kletterer waren :)












Mauerabschnitt bei Mutianyu














Ab hier leidet der bisher schöne Eindruck dann etwas. Zwar ist die Mauer optisch immer noch wunderschön, wenn auch deutlich anders als auf dem natürlich belassenen Teil, aber die Touristenströme die von Minute zu Minute mehr werden, stören die Idylle doch ganz enorm.

nun beginnt der restaurierte
und damit touristische Teil


Nationalstolz ist immer präsent


























Am Ende sind wir eigentlich fast schon froh, als wir endlich an der Rodelbahn sind, um wieder zurück ins Tal zu kommen. Leider haben wir die Rechnung nicht mit den Chinesen gemacht... Vor uns ein Haufen chinesischer Touristen, die sich panisch in die Bremsen hängen und tatsächlich mit weniger als Schrittgeschwindigkeit ins Tal "rauschen"; und somit kommen auch wir nur im Schneckentempo auf der Bahn 'Made in Germany' nach unten... Schade, aber amüsiert haben wir uns trotzdem :)

eine ganz besondere Erfahrung:
Sommerrodeln mit Chinesen :)
Danch geht's mit Andy noch in ein einheimisches Restaurant, wo wir mit der örtlichen Spezialität, der gegrillten Regenbogenforelle Bekanntschaft machen. Wir dürfen (bzw. müssen) mitansehen, wie die Forelle fangfrisch aus dem Teich kurze Zeit später gegrillt auf unserem Teller landet- schön dick paniert in (ohje ohje) Kümmel :(
Den schmeckt man zwar überraschenderweise gar nicht so stark heraus, aber auch das Entgräten ist mit Stäbchen kein einfaches Unterfangen. So wird die Forelle zur kulinarischen Herausforderung, aber Reste zurückgehen lassen gehört hier ja zum guten Ton und alleine an den Beilagen wären wir auch schon gut satt geworden... :)


toller Blick...
Am Nachmittag kommen wir wieder zurück nach Peking und beschließen, aufgrund des außergewöhnlich schönen, klaren Wetters noch den Ausblick über die Stadt vom Kohlehügel mitzunehmen.
....über die Stadt
Wir quälen unsere eh schon geschundenen Knie die vielen Stufen nach oben und werden tatsächlich mit einer tollen Sicht über die Stadt und ganz besonders auf den Kaiserpalast belohnt.

...vom Kohlehügel



auch in den Kaiserpalast, bzw. die verbotene Stadt


nur ein paar der Delikatessen hier...
Skorpione und Seepferdchen am Spieß,

Um nach so viel Geschichte und Kultur der letzten Tage wieder etwas runterzukommen beenden wir den Tag auf der westlich orientierten Shopping-Meile Wangchuling. Ich probiere und genieße meinen ersten "old Beijing Joghurt", die es hier an wirklich jeder Ecke zu kaufen gibt und wir wandern weiter durch die Fußgängerzone. Gegen Ende der Straße führt nach rechts eine Seitengasse in der reges Treiben herrscht. Wir schließen uns dem Tross an und stehen plötzlich mitten in der kulinarische Ekel-Abteilung. Seestern am Spieß ist hier wahrscheinlich noch das Appetitlichste... Gebratene Schneckenspieße gelten hier scheinbar ebenso als Spezialität wie noch lebenede und zappelnde Skorpione, denen man ebenfalls zur besseren Fixierung einen Holzspieß durch den Allerwertesten gerammt hat.

auch Seesterne eignen sich super, um in
heißem Öl gebraten zu werden

Sehr auffallend und wichtig hier: Je abgefahrener und stinkender, desto mehr Chinesen scharen sich um den Stand  :)
Bei den kleinen Entenküken, die rotbraun gegrillt in Reih und Glied darauf warten, gegessen zu werden, vergeht es mir endgültig und wir ergreifen die Flucht. Ein Abendessen muss her, aber von heimischer Kost haben wir erstmal genug, deshalb gibt's auf dem Heimweg Burger und Pizza aus einem Jugendherbergen-Restaurant :)


nicht aufgespießt aber trotzdem kein schöner Anblick:
geröstete Entenküken

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen