Heute wagen wir uns nochmal an ein kleines Experiment... Zugfahren in China, auf eigene Faust :)
Wir haben ja schon Abenteuerliches gehört und gelesen, von Schwierigkeiten beim Kartenkauf, Finden richtigen Gleises, etc. aber wir lassen uns nicht abschrecken, sondern versuchen unser Glück und fahren gleich in der Früh zum Bahnhof, um den Tag in Suzhou, einem "kleinen Vorort" von Shanghai zu verbringen. Wenn wir bisher neben dem geschickten Essen mit Stäbchen eines gelernt haben, dann, dass die Dimensionen in so einem Land wirklich andere sind... Suzhou liegt ca 110 km westlich von Shanghai und ist aus chinesischer Sicht mit gut 4 Mio. Einwohnern (die gesamte Region hat rund 11 Mio) tatsächlich eine kleine Vorstadt... Schon lustig, kein Deutscher würde auf die Idee kommen, Straubing als Vorort Münchens zu bezeichnen... :)
Mein Kleinkrieg mit dem Autor unseres Reiseführers setzt sich auch heute wieder fort, nachdem er behauptet, Zugtickets in China könnten sehr einfach und bequem an den englisch-sprachigen Ticketautomaten in den Bahnhöfen gekauft werden. So weit, so richtig, allerdings geht das nur, wenn mann gleichzeitig chinesischer Staatsbürger ist und einen chinesischen Pass mit Chip besitzt. Ich wage zu bezweifeln, dass der werte Herr mit dem deutschen Namen einen chinesischen Ausweis besitzt, allerdings wage ich inzwischen aufgrund seiner vielen fehlerhaften Informationen über die Stadt sowieso zu bezweifeln, dass er jemals auch nur ein Bein auf chinesischem Boden hatte. Wie auch immer, wir stellen uns an einem Schalter an, schreiben der Dame unsere gewünschte Zugnummer, die wir vorher schon rausgesucht hatten, auf einen Zettel, geben unsere Reisepässe ab (in China ist selbst Zugfahren mit noch größerem Aufwand und Sicherheitschecks verbunden als in der restlichen Welt das Fliegen) und dann geht aber alles doch recht schnell und unproblematisch. Um 9:35 Uhr sitzen wir im superschnellen G-Zug und um 10:03 Uhr sind wir auch schon am Zielbahnhof von Suzhou, aufgrund seiner vielen Kanäle auch das Venedig des Ostens genannt, angekommen.
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Suzhou- das Venedig des Ostens |
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der Garten des kleinen Beamten |
Neben den Kanälen ist die Stadt in erster Linie für seine vielen Gartenanlagen weltberühmt. Wir starten unseren Rundgang im Zhuozheng Yuan, dem Garten des kleinen Beamten, der der herausragendste und feinste aller Gärten im Süden Chinas sein soll. Das macht sich in erster Linie in den Eintrittspreisen bemerkbar, ansonsten verstehen wir nicht so recht, weshalb genau dieser Garten etwas besonderes darstellen soll... Er ist ganz nett, mit einem Teich (leider sehr dreckig) und vielen kleinen Pagoden. Nicht unattraktiv, aber auch nichts, was selbst wir in China jetzt nicht schon etliche Male gesehen hätten. Zudem auch hier wieder die Tatsache, dass die blumigen Beschreibungen der Pagoden und Hallen (Orchideenhalle, Halle des Duftes, Mondpavillon, um nur ein paar wenige zu nennen) immer deutlich imposanter klingen, als sie letztendlich dann sind.
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der Garten des kleinen Beamten |
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echte Mandarin-Ente |
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Steffen im Land der
Zwergenbäume :) |
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klitzekleiner Bonsai... :) |
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hier ist wenigstens klar, woher der
Name "Löwengarten" kommt... |
Wir gehen weiter zum Shizi Lin, dem Löwengarten. Dieser ist durch seine Vielzahl an löchrigen und abgefahrenen Steingebilden wirklich etwas besonderes und deutlich interessanter... Wir durchklettern die wilden Formationen und wandern so kreuz und quer durch die überschaubare Anlage
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poröse Felsblocke im Löwengarten |
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Löwengarten |
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Wellensittich im Wangshi Yuan |
Danach geht's noch kurz durch die heillos überfüllte Fußgängerzone und weiter zum Garten des Meisters der Netze (Wangshi Yuan), der etwas versteckt und daher nicht ganz so überlaufen, dafür aber umso schöner ist. Am Teich des Gartens entdecken wir dann noch wilde Wellensittiche, die sich hier offenbar sehr wohl fühlen und lautstark zwitschern.
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im Garten des Meisters der Netze |
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Oooh, da schlagen Frauenherzen höher...
ein original Tupperware-Laden |
Langsam machen wir uns wieder auf den Weg in Richtung Bahnhof. Glücklicherweise gelingt es uns nach einiger Zeit ein Taxi anzuhalten, dass uns die letzten 4 km des Weges komfortabel abnimmt.
Am Bahnhof dann Menschenmassen, soweit das Auge reicht, und alle brauchen sie, genau wie wir, Zugtickets. Chinesische Bahnhöfe kann man sicher nicht mit deutschen vergleichen. Die Ausmaße übertreffen locker die eines großen deutschen Flughafens, mit eigener Anfahrstrecke für Taxen, dem obligatorisch-gründlichen Security-Check und Terminals, Wartehallen und Gates, die immer erst kurz vor Zugeinfahrt öffnen um den Menschenmengen halbwegs geordnet Herr zu werden. Aber eigentlich auch gar nicht verwunderlich, verkehren in Suzhou tagtäglich sicher mindestens genauso viele Menschen mit dem Zug wie in München im Luft- und Schienenverkehr zusammen...
Wir finden also endlich die Ticket-Verkaufsstelle, reihen uns in eine der 20 unsagbar langen Schlangen ein und hoffen, dass nicht schon alle Verbindungen nach Shanghai bis in die späte Nacht ausverkauft sind, bis wir an der Reihe sind. Wir haben Glück und schon 1 1/4 Stunden später ergattern wir noch 2 Plätze in einer 1. Klasse-Kategorie. Ob die 1. Klasse jetzt wirklich notwendig gewesen wäre, oder der Herr vom Schalter dadurch mehr Provision kassiert, bleibt fraglich, uns aber war es egal, vor allem, nachdem sich der Aufpreis von umgerechnet 2€ als durchaus lohnende Investition herausstellt.
Sehr bequeme Sitze, angenehme Stille und wer mag, kann sich sogar im Board-Entertainment-Programm von Jackie Chan bespaßen lassen.
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Neonreklame in der Nanjing Road |
Zurück in Shanghai gehen wir noch einmal unter den bunten Reklamen der Nanjing Road (Fußgängerzone) entlang und ich komme -nachdem ich schon alle Chopstick-Läden akribisch durchforstet hatte- doch noch zu einem Set Stäbchen, die mich endlich völlig überzeugen. Schlicht und aus dunklem Mahagoni... Jetzt gibt's zu Hause nur noch Reis... :)
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links: das World Financial Center,
oder auch Flaschenöffner;
rechts: der Jin Mao Tower |
Danach fahren wir noch einmal hinüber nach Pudong für ein paar schöne Fotos der Hochhäuser und der hell beleuchteten Bund-Promenade in Puxi.
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der Bund in Puxi |
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lustige Straßendekoration |
Inzwischen sind unsere letzten 24 Stunden dieser Reise in und durch China angebrochen. Morgen haben wir noch ein paar Sachen auf dem Programm und dann können wir wirklich sagen, wir haben China erlebt... :)
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